von Elisabeth Hoffmann
Wenn Volkstanzverrückte sich treffen wurde oft gefragt „Kommst Du nach Freiburg“ oder “Warum kommst Du eigentlich nicht nach Freiburg“? Die Stadt im Breisgau war viele Jahre der Austragungsort der Volkstanzwoche. Manche der Teilnehmer kommen seit Jahrzehnten Jahr für Jahr, andere machten mal Pause oder waren verhindert. Ich gehöre zu denen die zwar immer davon wussten, aber aus verschiedenen Gründen nie hingefahren sind. Zur 57. Woche 2016/2017 war ich das erste Mal dabei. Gespannt dachte ich mir was ich wohl sagen würde, wenn die Woche vorbei ist: „Einmal und nie wieder“? Nein, für mich gilt „…immer wieder“, die Volkstanzwoche hat Suchtpotenzial.
Vor einem Jahr wurde bereits angedeutet, dass vielleicht für 2017/2018 ein Ortswechsel stattfinden könnte, so warteten die letztjährigen Teilnehmer gespannt auf eine Nachricht. Als dann Ende April der neue Veranstaltungsort angekündigt wurde, schauten wohl die meisten gleich mal auf die Landkarte. Wo bitte ist Bad Schussenried? Wie komm ich dahin? Mit Zug oder Auto? Wie ist der günstigste Weg? Ob es an der ungewohnten Strecke lag oder nur an den üblichen Freitags-Staus auf deutschen Straßen, dass nicht alle im vorgesehen Zeitfenster eingetroffen sind? Dies tut aber der Stimmung keinen Abbruch denn die fleißigen Helferlein, sind so einiges gewöhnt und nehmen auch die zu spät gekommenen herzlich in Empfang.
Da dieser Ort nicht nur für die 30 neuen Teilnehmer, sondern auch für die 110 Wiederholungstäter neues Terrain ist, gab es gleich nach der Ankunft die Möglichkeit, an einer Führung durch das Haus teilzunehmen. Aufzug oder 8 Stockwerke zu Fuß? Viele natürlich zu Fuß, wenn wir das schon nicht mehr schaffen, wie wollen wir dann 1 Woche tanzen! Oben konnten wir uns dann gut vorstellen wie wir in der Silvesternacht mit dieser grandiosen Aussicht das neue Jahr begrüßen werden. Treppe runter, um die Ecke in den Keller, wieder rauf, wieder runter, einmal rum ums Karree. Am Anfang sehr verwirrend, im Laufe der Tage war es dann aber gar nicht mehr kompliziert jeder fand den Raum in den er kommen sollte. Schon bald waren sich alle einig, dieses Haus ist besser: kleine 1-2 Bettzimmer mit richtigen Schränken und Dusche, genügend Parkplätze, Schwimmbad, Sauna, Kletterwand, Wasserspender, gutes Essen, größere Tanzräume mit besseren Böden, die hilfsbereite, zuvorkommende, entgegenkommende Art der Leitung und des Personals war allseits zu spüren. Der kleine Wermutstropfen des absoluten Alkoholverbots hier im Humboldt-Institut war leicht zu ertragen, da es für uns sogar etwas aufgeweicht wurde, damit wir bei unseren Abendveranstaltungen nicht auf Bier oder Wein verzichten müssen.
Trotz neuer Räume werden keine Traditionen über den Haufen geworfen, so wurde beim Eröffnungsabend wieder sortiert, in diesem Jahr nach Vornamen – da sind einige mehrfach vertreten – und dann nach dem Wohnort, da nicht jeder in einer allseits bekannten Großstadt wohnt, durften wir noch kurz erklären wo denn dieser unbekannte Ort so ungefähr zu finden ist. Die Leute kommen teilweise von weit her und aus unterschiedlichsten Gegenden. Die kürzeste Entfernung sind 20 Autofahrminuten, die längste 12 Stunden. Die Tanzleiter stellen sich vor und leiten bereits ein paar Tänze aus Ihrem Repertoire an, dabei zeigt sich, dass wir uns alle auf einmal auf dem Tanzboden bewegen können. Das Rahmen-Motto der Woche „Stein“ wird vorgestellt und wir hören die ersten Geschichten zu besonderen mitgebrachten Steinen. Die Kinder werden in den nächsten Tagen damit basteln und wir werden Lieder, Gedichte und Texte dazu hören.
Am ersten Tanztag in den Gruppenräumen wurden nachmittags Grundschritte geschult. Auch den ganz geübten Tänzern tut es gut wieder einmal bewusst die Füße zu setzten. Im Laufe der Woche finden sich dann neue Gruppierungen in den Neigungsgruppen und den angebotenen Arbeitskreisen. Das Tanzen ist das wichtigste und die meisten finden sich pünktlich zu den jeweiligen Kursen ein. Wir möchten ja alle möglichst viel Neues von den Referenten lernen. Wenn man vor der Mittagszeit durch die Gänge geht, hört man aus den Räumen die Musiker üben, die uns dann das Ergebnis beim Musikantenabend zu Gehör bringen werden. Oben im 8. Stock proben die Sänger. Ob sie dabei auch ab und zu die Aussicht genießen? Hätte es nicht so viel geregnet, wären die Spaziergänger sicherlich mehr unterwegs gewesen um die neue Umgebung zu erkunden. Für die Ausflüge rissen dann die Wolken auf und wir konnten ohne Schirm zum Kloster und zur Brauerei gehen.
Zwischen all dem Tanzen, Singen, Musizieren, Basteln und ein bisschen Schlafen, gibt es gutes reichhaltiges Essen. Sogar beim Nach(t)-Tanz werden noch viele Leckereien herumgereicht, Hunger hat man nie und gegen den Durst stehen Wasserspender bereit und wir können genügend andere Getränke erwerben. Überrascht wurden wir in der Silvesternacht und am Abschlussabend mit einem leckeren Buffet, dass uns die Hausküche gezaubert hat. Darüber hinaus hatte niemand damit gerechnet, dass am Neujahrstag Frühstück, Brunch und Mittagessen fast ineinander übergingen. An den festlichen Abenden bereichern die verschiedenen Trachten das Bild des gemeinsamen Auftanzes. Zwischen den Tänzern wuseln die Kinder herum, jeder redet mit jedem und manchmal geht es zu wie auf einem Schulhof. Humoreske Beiträge bringen uns zum Lachen und manchmal dürfen wir auf Anweisung der Musiker tanzen was wir wollen, entgegen der Regel, dass wir das tanzen, was der Tanzleiter will. Man amüsiert sich über die dialektischen Ausdrücke, doch beim gemeinsamen Gesang braucht man keine Fremdsprachenkennnisse, denn „Summ, gali, galii…„ kann jeder.
Am letzten Morgen bei der großen Abschiedsrunde, wird sich verabredet, wen sieht man wo, wann trifft man sich? Servus, Tschüss, alles Gute und auf Wiedersehen, spätestens in einem Jahr bei der 59. Volkstanzwoche in Bad Schussenried.