von Klaus Fink
Als sich im September 2020 deutlich abzeichnete, dass eine Volkstanzwoche in üblicher Form nicht durchführbar sein würde, war recht schnell klar, dass es zumindest den Versuch einer virtuellen Ersatzveranstaltung geben soll. Immerhin wäre es doch das erste Jahr, das ganz ohne Volkstanzwoche auskommen müsste. Ich selbst war seit 1983 nur ein einziges Mal nicht dabei, als ich zum Jahreswechsel 98/99 als Student in Schweden war.
Nun stellt sich die Frage, wie eine virtuelle Volkstanzwoche aussehen kann. Es versteht sich, dass sie einen Tanzlehrgang, der vom Miteinander, vor allem auch vom miteinander Tanzen lebt, nicht einfach so ersetzen kann. So können zwar Möglichkeiten, auch tänzerisch etwas zu lernen, angeboten werden, aber sicher nicht so im Mittelpunkt stehen wie gewohnt.
Ebenso ist offensichtlich, dass es kein tagesfüllendes Programm für 100 oder mehr Teilnehmer geben kann – zumal sich wohl nur wenige hierfür eine ganze Woche Zeit nehmen würden.
Also musste es ein Programm sein, das ein paar gemeinsame Höhepunkte anbietet und ansonsten viele Möglichkeiten, sich das Programm – ganz nach eigenen Vorlieben und verfügbarer Zeit – selbst zusammenzustellen. Gleichzeitig soll es auch viele Gelegenheiten geben, sich mit anderen kurzzuschließen, Erinnerungen aufzufrischen, ggf. auch neue Leute kennenzulernen – also all das, was die VTW neben dem Inhaltlichen eben auch ausmacht.
Zunächst war nicht klar, was das inhaltlich genau heißt, welche Themen man konkret angeht, wie der genaue Zeitplan hierfür aussieht oder wen man damit letztlich erreicht. Muss man über 20 Teilnehmer schon froh sein oder sollte man mindestens 80 erwarten, um überhaupt aktiv zu werden? Die allgemeine Skepsis war groß. Verständlicherweise – wirklich vergleichbare Veranstaltungen gab es vorher nicht.
Dazu kommt dann der technische Aspekt. Als IT-ler bin ich selbst seit Jahren viel in Telefonkonferenzen mit vielen unterschiedlichen Menschen unterwegs. Wie weit funktioniert das dann auch noch, wenn alle die Kameras anhaben? Welche Inhalte lassen sich gut übermitteln und wie können die Teilnehmer interagieren?
Gemeinsames Tanzen wird kaum funktionieren, auch Singen und Musizieren ist nicht möglich, da es bei den Konferenzen immer kleine Zeitverzögerungen gibt, die das ins Chaos gleiten lassen. Spiele sollten möglich sein – aber welche? Videos gemeinsam anschauen müsste funktionieren, da sollte der Zeitversatz nicht so kritisch sein. Wie bleiben wir nebenher trotzdem im Kontakt?
Am besten ist hier ein Programm, bei dem sich die Teilnehmer selbst einbringen – mit eigenen Ideen oder zu vorgegebenen Themen. Also machen wir einen VTW-typischen Musikantenabend, mit Beiträgen von diversen Teilnehmern – sicherheitshalber kann man noch ein paar ehemalige Referenten anfragen. Dazu eine Trachtenvorstellung, danach wurde in den vergangenen Jahren immer wieder gefragt. Und einen Abend mit Erinnerungen an frühere Volkstanzwochen. Oder vielleicht einen bunten Abend. An den anderen Abenden können wir spielen oder uns unterhalten – so gut das eben geht. Und ein Konzert können wir auch machen, das hatten wir in den vergangenen Jahren ja auch meistens im Programm – z.B. ein online vorhandenes öffentliches Konzert gemeinsam anschauen. So stellte sich nach und nach das Abendprogramm zusammen.
Dazu dann einmal am Tag eine Email, mit Anregungen, Links zu interessanten Seiten oder Videos – da findet sich sicher so manches, mit dem man die Woche füllen kann.
Nachdem Anfang Dezember dann etwas klarer war, wie das Ganze aussehen könnte, wurde kurz ein Video gedreht, um das Konzept vorzustellen. Damit dann nochmal Werbung gemacht und geschaut, ob die bislang zögerlichen Anmeldungen mehr werden. Und sie wurden mehr. Aus 20 wurden 40 und gegen Ende des Monats steuerten wir auf 80 zu – mit denen so keiner gerechnet hatte. Bis zum Ende der VVTW waren wir bei über 100 offiziellen Anmeldungen – mit weiteren „inoffiziellen“ Teilnehmern, die im Hintergrund mit dabei waren oder zwischendurch mal noch mit reinschauten. Die Teilnehmer kamen dabei größtenteils aus Deutschland, aber auch Brasilien, die USA, Australien, die Schweiz, Niederlande, Belgien, Italien und Schweden waren vertreten.
Für das Abendprogramm fiel die Wahl letztlich auf Jitsi Meet als Konferenztool. Es versprach als kostenfreie Lösung relativ gut zu funktionieren und war auch datenschutztechnisch weit vorne, da im Prinzip keine persönlichen Daten zur Teilnahme notwendig sind. Das ganze funktioniert dann direkt über den Browser oder per separater App auf Smartphone oder Tablet.
Bei rund 50 aktiven Teilnehmern bei jeder Abendveranstaltung zeigte es sich auch erstaunlich leistungsfähig und störungsfrei, so dass wir es für die Vereinsarbeit guten Gewissens weiterempfehlen können. Schwierigkeiten gab es in erster Linie bei schlechter Internetanbindung der einzelnen Teilnehmer.
Es kamen diverse Beiträge – zu Musikantenabend, Trachtenvorstellung oder für den bunten Abschlussabend, Ideen für die täglichen Emails, Spielideen und weitere Ergänzungen. Darüber hinaus machte sich die extra eingerichtete Gruppe auf WhatsApp selbstständig. Es wurden spontan „Arbeitsgruppen“ eröffnet, zu denen viele mit Bildern beitrugen, der gewohnte VTW-Ablauf wurde so mitgetragen und in Gedanken umgesetzt („Kuchen könnt Ihr Euch im Speisesaal holen“), dass mancher nicht glauben konnte, dass es rein virtuell war und nicht doch irgendwo eine reale Veranstaltung stattfand.
Kurz und gut: Es war ein großer Erfolg und eine tolle Veranstaltung. Eine einmalige. Denn wir hoffen fest, dass wir uns im nächsten Jahr wieder live vor Ort in Bad Schussenried treffen können.
Aber es zeigt auch, dass es sich lohnt, in diesen Zeiten mal andere Wege zu gehen und etwas auszuprobieren. Der Hunger nach Veranstaltungen ist groß und auch virtuell kann man sich durchaus begegnen. Daher bieten wir für die VTW nun immer am 21. des Monats in Jitsi einen virtuellen Stammtisch an. Details dazu sind unter volkstanzwoche.de zu finden. Es bleibt mir noch, mich bei ein paar Helfern zu bedanken, die sich besonders eingebracht haben – Holger Haga mit einem 4,5 stündigen Mundharmonikakurs, Darius Ellinger, der technisch unterstützte, wenn jemand Probleme mit Jitsi hatte, Grad wäga Holz guat, die uns Ihr Danzfestle zur Verfügung gestellt haben und Martina Fink darüber hinaus, die uns gezeigt hat, wie ein virtuelles Quiz und eine Umfrage mit so vielen Teilnehmern online funktioniert, Anitas Mädchenchor, die den abendlichen Programmabschluss zur Verfügung stellten und für den Abschlussabend aufwändig ein neues Lied aufnahmen (und schnitten!), Rainer Schmiedel, der mit Schildern, Namensschildern und Getränkekarten für VTW-Gefühl daheim gesorgt hat, Susanne Köhler, die eine Nähanleitung für eine Alltagsmaske präsentierte, Stefan Christl, der extra zu uns gefahren war, um einen Tag lang zu Danzkurs-Aufnahmen zu spielen und nicht zuletzt Sonja Fink, die bei diesem Kurs mittanzte und die ganze VTW über nur wenig von mir sah und dafür drei Kinder unter einen Hut bringen musste. Allen anderen, die dabei waren und die Woche zu dem gemacht haben, was sie war, sei ebenfalls herzlich gedankt.